Vor kurzem musste unsere WG in die Nachbarhaushälfte umziehen. Untergebracht sind wir ja in der Internatsunterbringung des Ausbildungsbetriebes. In dem Haus, indem wir bis dahin waren, sollen jetzt nur noch die minderjährigen Teilnehmer sein, also mussten wir in eine andere Wohnung.
Für mich war es ja schon stressig genug, die neue Hausnummer überall weiterzugeben und damit, dass wir ganz nach oben in den fünften Stock mussten, konnte ich auch noch leben.
Am Anfang des Jahres mussten wir schon einmal innerhalb des Hauses umziehen, damals wurde alles sehr kurzfristig angekündigt, ging aber ansonsten gut über die Bühne. Anders war es dieses Mal. Erst zwei Wochen nach unserem Einzug erhielten wir überhaupt die Beleuchtung in der Wohnung, bis dahin mussten wir notgedrungen in jedem Raum Nachttischlampen aufstellen. Auch viele andere Dinge fehlten noch oder mussten noch gemacht werden und alles zog sich eine ganze Weile hin. Regelmäßig war ich damit beschäftigt, für das Betreuungsteam Listen anzufertigen, was noch fehlt oder noch gemacht werden muss. Irgendwann hatten wir dann auch einen Spiegel im Bad, warmes Wasser in der Küche und ein Wohnungstelefon, während sich das kleine WC noch immer nicht abschließen lässt.
Da ich kurz zuvor fünf Wochen lang nicht im Betrieb war, sondern Berufsschule und Lehrgänge hatte, waren meine Routinen schon beeinträchtigt, ich hätte eigentlich nach dieser Zeit geregelte Arbeitstage gebraucht. Doch stattdessen kam der chaotischste Umzug meines Lebens. Selbst in vielen einfachen Dingen brachen meine automatisierten Handlungsabläufe zusammen, ich musste beispielsweise ganz bewusst überlegen, welche Schritte nacheinander beim Umziehen der Arbeitskleidung kommen.
Es brauchte viele Wochen, um meine Routinen halbwegs wieder zu etablieren, etwa so, als würde ein durch einen Autounfall beeinträchtigter Mensch in der Reha langsam wieder das Laufen lernen. So kam es natürlich, dass ich ab und zu mal Chorproben vergaß und generell viel Zeit für mich allein brauchte. Dennoch dürften die wenigsten Menschen mir etwas angemerkt haben, da ich versuche, im Alltag so gut es geht zu funktionieren.
Nun ist, was den Umzug angeht einigermaßen Ruhe eingekehrt und die meisten meiner Handlungsabläufe funktionieren wieder normal, dennoch gibt es noch immer Situationen in denen ich durcheinander komme oder wo ich überlegen muss, welcher Schritt jetzt als nächstes kommt.